Hintergründe, Ablauf und Ziele des Projektes

Einleitung

In Deutschland werden aktuell etwa 800.000 Menschen in einer Altenpflegeeinrichtung dauerhaft versorgt. Im Durchschnitt sind die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen 82 Jahre alt und drei Viertel der Altenheimbewohner sind Frauen. Diese Personen sind aus verschiedenen Gründen häufiger betroffen von sogenannten „unerwünschten arzneimittelbezogenen Ereignissen (UAE)“. Ein Grund hierfür ist, dass manche Organe mit steigendem Alter nicht mehr so effektiv arbeiten. Ein anderer ist, dass diese älteren Menschen meist mehrere verschiedene Erkrankungen haben und daher häufig mehr als 5 Medikamente täglich einnehmen müssen. Je mehr Arzneimittel man benötigt, desto höher wird das Risiko für Probleme mit den eingenommenen Medikamenten. Zu diesen unerwünschten Wirkungen können grob alle Symptome/Ereignisse gezählt werden, die zusätzlich zur gewünschten Hauptwirkung auftreten. Zum Beispiel kann es bei blutdrucksenkenden Arzneimitteln zu Schwindelanfällen kommen, welche manchmal auch zu Stürzen führen können. Wissenschaftler haben in internationalen Studien die Häufigkeit von UAE ermittelt. Beobachtet man über einen Monat 100 Heimbewohner, so können in diesem Zeitraum durchschnittlich 10 solcher Ereignisse dokumentiert werden. Außerdem wurde bei der genauen Analyse der Vorfälle festgestellt, dass 42 % dieser Ereignisse potenziell vermeidbar gewesen wären (Gurwitz et al. 2005).

Die AMTS 1 Studie

In Deutschland betrug die Häufigkeit im Rahmen des BMG-geförderten Projektes „AMTS in Alten- und Pflegeheimen“ (= AMTS 1) 7,87 UAE pro 100 Heimbewohnermonate (Für weitergehende Informationen sei auf den Abschlussbericht verwiesen). Hier könnten laut Experten sogar knapp 60 % der Ereignisse möglicherweise vermieden werden. Zusätzliche 6,5 % der Ereignisse hätten in ihren Auswirkungen für den Patienten wahrscheinlich abgemildert werden können. Auf Basis dieser Erkenntnisse haben die Experten gemeinsam mit den Angehörigen der verschiedenen Berufsgruppen (Ärzte, Apotheker, Pflegepersonal) Maßnahmen entwickelt, um die Häufigkeit unerwünschter arzneimittelbezogener Ereignisse zu reduzieren. Hierzu gehörten zum Beispiel Fortbildungen für die verordnenden Ärzte, die heimversorgenden Apotheker und das Pflegepersonal. Außerdem sollten in jedem der beteiligten Heime nach der Fortbildung spezielle Pflegefachkräfte und die betreuenden Apotheker gemeinsam in sogenannten „AMTS-Teams“ eng zusammenarbeiten. Eine Aufgabe dieser Teams war es, arzneimittelbezogene Probleme zu erkennen und eine mögliche Lösung zu erarbeiten. Die behandelnden Ärzte wurden dann über die gefundenen Probleme informiert und mithilfe der ausgearbeiteten Vorschläge wurde gemeinsam eine Lösung gefunden. Damit diese Zusammenarbeit reibungslos funktionieren kann, müssen die Kommunikationswege zwischen Heimen, Apothekern und Hausärzten strukturiert genutzt werden.

Die genannten Ansätze wurden als sogenannte Machbarkeitsstudie in 4 Heimen eingeführt. Nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne wurde überprüft ob die Häufigkeit der unerwünschten arzneimittelbezogenen Ereignisse dadurch vermindert werden konnte. Begründet durch das Studiendesign der AMTS 1 Studie war es nicht möglich eine belastbare Aussage über die Auswirkungen der Maßnahmen zu machen. Allerdings konnte gezeigt werden, dass der Ansatz selber umsetzbar ist und hierdurch die Zufriedenheit der beteiligten Personen gesteigert werden konnte.

Projektablauf

Im Projekt AMTS-AMPEL soll nun überprüft werden ob die Maßnahmen aus AMTS 1 die Häufigkeit von unerwünschten arzneimittelbezogenen Ereignissen in relevantem Ausmaß reduzieren können. Die Abkürzung „AMPEL“ steht hierbei für die Kurzform des Studientitels „ArzneiMitteltherapiesicherheit bei Patienten in Einrichtungen der Langzeitpflege“. Das Bundesministerium für Gesundheit fördert dieses große Projekt. Es wird derzeit in zwei Bundesländern (Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern) durchgeführt. Die Auswahl der Bundesländer wird  unter anderem mit den unterschiedlichen demografischen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Unterschieden begründet. Insgesamt sollen mindestens 15 Heime mit 1.000 Heimbewohnern an der Studie teilnehmen.

Für den jeweiligen Einschluss in die Studie ist die Bereitschaft zur Teilnahme der betreuenden Hausärzte, der heimversorgenden Apotheker und der interessierten Heime entscheidend. Die Hausärzte werden hierbei weitestgehend über Qualitätszirkel bzw. Ärztenetze angesprochen. Wenn sich sowohl die Ärzte als auch das Pflegeheim für die Teilnahme an der Studie entschieden haben, dann werden die heimversorgenden Apotheken ebenfalls befragt. Nun werden die Bewohner der Einrichtung über den Ablauf und die Inhalte der Studie informiert. Da für die Beurteilung möglicher unerwünschter arzneimittelbezogener Ereignisse die Akten eingesehen werden müssen, werden die Bewohner nach der Aufklärung um ihr schriftliches Einverständnis gebeten. Bei der Auswertung der Daten werden jedoch keine persönlichen Informationen verwendet!

Im Rahmen einer Auftaktveranstaltung werden die MitarbeiterInnen der Heime noch einmal genau über den Ablauf und das Ziel der Studie informiert. Anschließend werden sie über die Wichtigkeit der Erkennung und Dokumentation von Verdachtssymptomen aufgeklärt. In dieser Veranstaltung wird auch der „Therapiebeobachtungsbogen (TBB)“  vorgestellt (siehe Materialien in der AMTS-AMPEL Studie). In diesem Bogen werden anschließend Symptome einheitlich dokumentiert. Dann erfolgt die erste Bestimmung der Häufigkeit von UAE in dieser Pflegeeinrichtung. Hierfür kommen die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen in das Heim. Danach folgen die Fortbildungen und die Einführung spezieller Materialien zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit. Zum Teil werden die Projektpartner bei der Konzeption und Durchführung der Fortbildungen von Gero PharmCare und von Frau Edith Kühnle (Bonner Verein für Pflege- und Gesundheitsberufe) unterstützt. Nachdem 6 Monaten mit diesen Neuerungen gearbeitet wurde erfolgt die 2. UAE-Erhebung und nach weiteren 6 Monaten eine 3. UAE-Erhebung. Durch den Vergleich mit der ersten Häufigkeitsbestimmung der UAE können die Auswirkungen der Veränderungen im Alltag nach 6 Monaten und auch die Nachhaltigkeit dieser Effekte bis zu 12 Monaten überprüft werden.

Ziel des Projektes AMTS-AMPEL

Insgesamt soll durch dieses Projekt die Sicherheit in der Arzneimitteltherapie bei älteren Menschen gefördert/verbessert werden. Dies wird anhand der Häufigkeit auftretender unerwünschter arzneimittebezogener Ereignisse gemessen. Durch die Dokumentation im Therapiebeobachtungsbogen sollen Symptome und Zusammenhänge schnell und einfach erkannt werden. In den Fortbildungen werden die beteiligten Mitarbeiter außerdem gezielt mit Fallbeispielen für häufige Ereignisse sensibilisiert. Neben der Problemerkennung werden hier auch mögliche Lösungsansätze gemeinsam besprochen. Mit verschiedenen Vorlagen (z. B. Faxvorlagen) soll die Verständigung zwischen Ärzten, Apothekern und Pflegenden vereinfacht werden. Des Weiteren wird durch die enge Zusammenarbeit die gegenseitige Anerkennung der fachlichen Kompetenzen gestärkt und eine Vertrauensebene geschaffen.

Die Intervention führt demnach alle an der Arzneimittelversorgung der HeimbewohnerInnen beteiligten Berufsgruppen zusammen und schafft neue Strukturen und Kompetenzen vor Ort, diese können auch nach Ablauf des Projektes eine höhere Arzneimitteltherapiesicherheit gewährleisten. Ebenso bleiben die Verbesserungen der Kommunikation zwischen den Berufsgruppen und auch die verschiedenen Materialien den Projektbeteiligten auch nach der Studie erhalten. Da sich das Projekt unmittelbar an der Versorgungsrealität orientiert, kann der Ansatz nach Abschluss des Projektes bundesweit auch in anderen Pflegeeinrichtungen übernommen werden.